Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge

31.10.2024

Stellungnahme des Verbands öffentlicher Versicherer zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge (pAV-Reformgesetz)

Zusammenfassung

Die öffentlichen Versicherer begrüßen nachdrücklich, dass das Bundesfinanzministerium endlich einen Gesetzentwurf zur längst fälligen Weiterentwicklung der geförderten Altersvorsorge vorgelegt hat. Der Verzicht auf eine zwingende 100%-Beitragsgarantie sowie die Erhöhung des Dotierungsrahmens auf 3.000/3.500 Euro plus Zulagen ab 2026/2030 sind zu begrüßen und ermöglichen den Kunden deutlich bessere Renditen sowie höhere Versorgungsleistungen. Die Auszahlung einer lebenslangen Rente als Bedingung für ein staatlich gefördertes Altersvorsorgeprodukt hat nach wie vor ihre Berechtigung. Daher sollte ein Auszahlplan mit festem Endalter entfallen. Altersvorsorge ist eben mehr als bloßer Vermö-gensaufbau, und grundsätzlich bedürfen lebenslange Ausgaben auch lebenslanger Einnahmen. Das Langlebigkeitsrisiko ist ein ernst zu nehmender Faktor, der an Bedeutung noch zunehmen dürfte. Die meisten Menschen schätzen ihre (Rest)Lebenserwartung falsch und zu niedrig ein, d. h. das individuelle Langlebigkeitsrisiko wird systematisch unterschätzt. Diese inhärente Unsicherheit kann auch nicht durch mehr Finanzbildung beseitigt werden, so sehr diese ansonsten zu verbessern ist.

Das pAV-Reformgesetz schafft weitgehende Wahlfreiheit der Produktanbieter und Kunden zwischen verschiedenen Produktvarianten, führt aber auch zu erheblicher Komplexität und entsprechend hohem Beratungsaufwand. Von dem ursprünglichen Ziel eines möglichst einfachen, selbsterklärenden, weitgehend beratungs- und entsprechend kostenarmen Standardprodukts hat sich das neue System weitgehend entfernt. Konkret sind sieben Produktvarianten für die Ansparphase nahezu beliebig kombinierbar mit drei Varianten für die Auszahlphase (21 Grundvarianten), die noch dazu mit der Option einer Kapitalauszahlung für selbstgenutztes Wohneigentum versehen werden können
(42 Grundvarianten). Außerdem können Auszahlpläne längere Laufzeiten als das 85. Lebensjahr haben, und beim anbieterverwalteten Altersvorsorgedepot sowie dem Referenzdepot ist eine sehr große Vielfalt an konkreten Anlageangeboten möglich, sodass die Angebotsvielfalt für die breite Masse der Bürgerinnen und Bürger – die ja besonders durch die geförderten Altersvorsorgeverträge erreicht werden sollen – kaum noch überschaubar ist. In jedem Fall kann sich eine solche Produktvielfalt mit dem entsprechenden Aufklärungsbedarf kaum beratungskostenmindernd auswirken, sondern dürfte eher das Gegenteil bewirken.

Die öffentlichen Versicherer begrüßen, dass mit der kapitalmarktnahen lebenslangen Leibrente mehr Möglichkeiten geschaffen werden, einen Teil des angesparten Kapitals auch in der Rentenphase noch renditeorientiert anlegen zu können. Hinsichtlich der bAV-Variante der geförderten Altersvorsorge würde die Verwendung von Auszahlplänen eine Ausstrahlwirkung auf die betriebliche Altersversorgung entfalten, die es zu vermeiden gilt. Beim Altersvorsorgedepot – vor allem in der Variante mit eigenverantwortlicher Vermögensverwaltung durch den Kunden selbst – sehen wir die Investitionsmöglichkeit in Einzelaktien unter Risikogesichtspunkten kritisch und halten sie nicht für erforderlich; zudem kann die spätestens alle drei Jahre neu festzulegende monatliche Auszahlrate zu überproportional schwankenden Auszahlungsraten führen. Es besteht die Gefahr, dass die Reputation aller privatwirtschaftlichen Kapitalsammelstellen und Anbieter der geförderten Altersvorsorge beschädigt wird und ein Stück Vertrauen in die Kapitalmärkte verloren geht.

Das neue Zulagensystem besitzt eine begrüßenswerte Funktionsweise, wird sich auf verschiedene Zielgruppen aber unterschiedlich auswirken. Gerade mit Blick auf Personen mit Einkommen knapp über der Geringverdiener-Grenze bzw. mehreren Kindern wäre es eine merkliche Verbesserung, wenn die proportionalen Zulagen einheitlich von 20 auf 30 Cent pro eingezahlten Euro erhöht würde. Ausgesprochen kritisch sehen die öffentlichen Versicherer das geplante, einseitige Zulagen-Optionsrecht für Bestandskunden. Die Unternehmen müssten dafür bis Ende 2025 ein zusätzliches steuerliches Bestandssystem aufbauen, das von nur wenigen Kunden genutzt würde, im Extremfall sogar von keinem einzigen Kunden. Mit diesem aus unserer Sicht völlig unverhältnismäßigen Wahlrecht würde jedes Bemühen um Bürokratiebegrenzung nachhaltig konterkariert. Statt eines einseitigen Wechselrechtes sollte – entsprechend dem Ergebnis der Fokusgruppe pAV – ein Wechsel in die neue Zulagensystematik nur im Einvernehmen zwischen Kunde und Anbieter möglich sein.

Die Weiterentwicklung der staatlich geförderten Altersvorsorge sollte sich im Rahmen des in der Vergangenheit geschaffenen Rahmens bewegen, der sich trotz Verbesserungsbedarfs in Einzelpunkten grundsätzlich bewährt hat. Positiv ist, dass sich bereits die Fokusgruppe pAV im vergangenen Jahr gegen grundlegende Systemwechsel wie einen Staatsfonds ausgesprochen hat. Ebenso begrüßen wir die Intention des Gesetzesentwurfs, eine ‚Überzahlung‘ in Verträge über den Höchstbetrag für den steuerlichen Sonderausgabenabzug hinaus zu unterbinden.

Die ausführliche Stellungnahme mit detaillierten Erläuterungen finden Sie hier zum Download!

Ansprechpartner

Dr. Christian Schwirten
Leiter der Abteilung
Politische Interessenvertretung

T+49 30 22 605 49-15
Echristian.schwirten@voevers.de

Ingo Esser
Leiter der Abteilung Markt- und Produktmanagement Leben sowie Strategie und Unternehmensentwicklung

T0211. 4554-310
Eingo.esser@voevers.de

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Ausführliche Stellungnahme (PDF)

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