Der Verband öffentlicher Versicherer begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission, die Berichtspflichten für Unternehmen um 25 Prozent zu senken. In diesem Sinne befürworten die öffentlichen Versicherer den Vorschlag, die Anwendung der sektorspezifischen europäischen Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) gemäß Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) um zwei Jahre zu verschieben. Dies sichert die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Nachhaltigkeitsdaten für die notwendige Transformation unserer Wirtschaft. Als zweitgrößter deutscher Erstversicherer mit starker regionaler Präsenz unterstützt die Gruppe das Ziel einer nachhaltigeren Wirtschaft ausdrücklich.
Der Verband betont, dass Versicherer bereits aktuell bedeutende Nutzer und Bereitsteller von Nachhaltigkeitsinformationen sind. Die öffentlichen Versicherer sind Unterzeichner der „Principles for Responsible Investment“ (PRI) und beachten Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Investitionsentscheidungen. Die Transparenz-Verordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation - SFDR) verpflichtet Versicherer, die Nachhaltigkeitsaspekte ihrer Investitionen umfangreich zu dokumentieren. Die Taxonomie-Verordnung, insbesondere Artikel 8, verlangt die Offenlegung weiterer Nachhaltigkeitsindikatoren. Die öffentlichen Versicherer erwarten zudem, dass die CSRD in Kombination mit dem einheitlichen EU-Zugangspunkt für Unternehmensinformationen (European Single Access Point - ESAP) sicherstellt, dass diese Daten in unmittelbar einsatzfähiger Form und kostenlos in einer öffentlichen Datenbank bereitgestellt werden.
Zur weiteren Verbesserung der Nachhaltigkeitsberichterstattung macht der Verband Vorschläge in drei Bereichen:
1. Etablierung der CSRD als zentraler Ort der Nachhaltigkeitsberichterstattung
2. Proportionalität in der praktischen Umsetzung der CSRD
3. Adäquate Umsetzung von Level-II-Anforderungen
1. Etablierung der CSRD als zentraler Ort der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Der Verband teilt die Einschätzung der Europäischen Kommission aus der Mitteilung „Langfristige Wettbewerbsfähigkeit der EU: Blick über 2030 hinaus“, dass eine Reduktion der Berichtspflichten um insgesamt 25 Prozent angezeigt und möglich ist, ohne die jeweiligen politischen Ziele zu untergraben. Bereits aktuell berichten Versicherer gemäß gesetzlichen Bestimmungen umfangreich über Nachhaltigkeitsaspekte: im Berichtwesen nach Solvency II insbesondere zu Nachhaltigkeitsrisiken und gemäß Transparenz-Verordnung unter anderem zu Nachhaltigkeitsauswirkungen der Kapitalanlage. Weitere Berichtspflichten werden mit hoher Wahrscheinlichkeit aus den noch in Verhandlung befindlichen europäischen Gesetzesvorhaben erwachsen.
Der Verband regt daher an, die Streichung dieser Berichtspflichten zu Nachhaltigkeit für CSRD-pflichtige Unternehmen zu prüfen und die Anforderungen der genannten sowie anderer gesetzlicher Bestimmungen mit der CSRD-Berichterstattung als erfüllt zu betrachten.
2. Proportionalität in der praktischen Umsetzung der CSRD
Die öffentlichen Versicherer haben sehr frühzeitig die Implementierung der CSRD angestoßen. Bereits bei den sektorübergreifenden Standards ist der Umsetzungsaufwand beträchtlich, insbesondere für mittelständische und kleine Regional-Versicherer. Für diese gelten dieselben Vorgaben wie für große, globale Konzerne. Seitens der Wirtschaftsprüfenden zeichnen sich in ersten Gesprächen sehr hohe Erwartungen an die kommenden CSRD-Berichte ab, die potenziell in Konflikt mit dem Ziel der Verhältnismäßigkeit stehen. Die Europäische Kommission hat in Erwägungsgrund 43 der CSRD festgehalten: „Die Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sollten verhältnismäßig sein und den Unternehmen, die sie anwenden müssen, keinen unnötigen Verwaltungsaufwand auferlegen.“ Zudem sieht Artikel 3 Ziffer 20 der CSRD vor: „Unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Haftungsvorschriften sehen die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften vor, die sich bei der Durchführung von Abschlussprüfungen oder Bestätigungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht an die Vorschriften halten, die zur Umsetzung dieser Richtlinie und gegebenenfalls der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 angenommen wurden.“ Der Verband regt daher an, im Lichte der 25-Prozent-Reduktion der Berichtspflichten gemäß Mitteilung „Langfristige Wettbewerbsfähigkeit der EU: Blick über 2030 hinaus“ und der in der CSRD verankerten Verhältnismäßigkeit bei der Auslegung dieser Bestimmung insbesondere auch auf über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehende Anforderungen in Abschlussprüfungen zu achten.
Der Verband schlägt daher vor, im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft die Erwartungshandlung einer verhältnismäßigen Umsetzung und Prüfung seitens der Abschlussprüfenden klar zu kommunizieren.
3. Adäquate Umsetzungsfristen von Level II und III-Anforderungen
Der Verband unterstützt die Verschiebung der sektorspezifischen Berichtspflichten ausdrücklich. In dieser Legislaturperiode kam es bei weiteren Vorhaben des nachhaltigen Finanzwesens zu kurzfristigen Verschiebungen, etwa bei Level II-Anforderungen der Transparenzverordnung.
In Anbetracht der Komplexität der Fragestellungen des nachhaltigen Finanzwesens sollte die Europäische Kommission daher Umsetzungsfristen in Hinblick auf Verzögerungen im Gesetzgebungsprozess erstens generell länger wählen, um nachträgliche Verschiebungen zu vermeiden und die Rechtssicherheit für Unternehmen zu erhöhen. Zweitens sollten sich sämtliche Umsetzungsfristen auf die Fertigstellung der notwenigen Level II-Rechtsakte beziehen und dynamisch jeweils nach der Veröffentlichung im Amtsblatt nach einer angemessenen Frist beginnen.
Ebenso ersucht der Verband darum, Level III-Akte mit größerem zeitlichem Vorlauf zu veröffentlichen. Wenngleich diese rechtlich nicht bindend sind, zeigt die Praxis, dass diese für eine Umsetzung nahezu aller Vorhaben unerlässlich sind.
Die öffentlichen Versicherer unterstützen die Europäische Kommission bei der Schaffung einer effizienten und proportionalen Nachhaltigkeitsberichterstattung und freuen sich auf den weiteren Austausch zum nachhaltigen Finanzwesen.