Die grundsätzliche Zielsetzung der EU-Kleinanlegerstrategie (RIS - Retail Investment Strategy), nämlich die Partizipation von Kleinanlegern an den europäischen Finanzmärkten zu stärken, gilt es zu unterstützen. Folgerichtig nimmt der Verband öffentlicher Versicherer e.V. (VöV) gerne die Möglichkeit der Konsultation wahr und steht bereit, den weiteren Umsetzungsprozess konstruktiv zu begleiten. Vor allem die geplanten Änderungen hinsichtlich der digitalen Bereitstellung von Informationen, der Aufhebung doppelter Informationspflichten oder der Stärkung der finanziellen Bildung sind zu begrüßen. Auch der Verzicht auf ein voll-ständiges Provisionsverbot wird vom Verband und seinen Mitgliedern vollumfänglich befürwortet.
Gleichzeitig besteht an einigen Stellen der RIS noch ein gewisser Anpassungsbedarf. Allen voran betrifft dies die Vielzahl nachgelagerter Regelungen auf Level 2 und 3. So wird nicht nur die Level 1-Regulierung deutlich ausgeweitet und immer engmaschiger, darüber hinaus enthält der Entwurf allein für den Versicherungsbereich über zehn Level 2-Ermächtigungen. In Kombination mit den ausgesprochen kurzen Umsetzungs- und Anwendungsfristen entsteht hier eine Situation der rechtlichen Unsicherheit, die sowohl für den Kunden als auch Versicherungsunternehmen und -vermittler signifikante Nachteile nach sich zieht. Daher setzen wir uns dafür ein, die Vielzahl nachgelagerter Level 2-Rechtsakte deutlich zu reduzieren und wesentliche Vorgaben in prinzipienbasierter Form auf Level 1 vorzunehmen. Zugleich bedarf es realistischer Umsetzungs- und Anwendungsfristen, die im Ergebnis dazu führen, das eine verpflichtende Anwendung durch die Unternehmen frühestens 12 Monate nach dem Beschluss sämtlicher Level 2- und 3-Regelungen erfolgen sollte.
Auch wenn die EU-Kommission von einem vollständigen Provisionsverbot vorerst Abstand genommen hat, muss im dritten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes überprüft werden, inwiefern die getroffenen Maßnahmen eine Verbesserung nach sich gezogen haben und welche zusätzlichen Verschärfungen (bis hin zu einem vollständigen Provisionsverbot) daraus resultieren. Der VöV ist der Auffassung, dass eine Ergebnisanalyse frühstens nach 5 Jahren erfolgen und auf automatische legislative Anpassung verzichtet werden sollte.
Zudem schlägt die Kleinanlegerstrategie ein Provisionsverbot für den beratungsfreien Verkauf vor. Provisionsverbot jedweder Art werden vom VöV und seinen Mitgliedern grundsätzlich abgelehnt. Des Weiteren entsteht auch im beratungsfreien Verkauf ein gewisser Aufwand, der entsprechend vergütet werden muss. In welcher Form dies geschehen soll, wird aus dem Vorschlag nicht ersichtlich. Daher setzen wir uns dafür ein, dass auch weiterhin im beratungsfreien Verkauf eine leistungsgerechte Provision gezahlt werden darf.
Während der Fokus auf die digitale Informationsbereitstellung eine sinnvolle Verbesserung darstellt, werden die Anpassungen im Bereich der Informations- und Transparenzpflichten in ihrer Gesamtheit dazu führen, den ursprünglich identifizierten „Information Overload“ eher noch zu verstärken. Informationspflichten müssen einerseits gegenüber bereits bestehen-den Regulierungen konsistent sein und andererseits sollten die für Level 2 angekündigten Konkretisierungen bereits auf Level 1 erfolgen. Zugleich werden die gemachten Vorschläge zur Überarbeitung des Produktfreigabeprozesses und die Einrichtung verpflichtender (Vergleichs)Benchmarks im Ergebnis zu harten Einschränkungen bei der Produktpreisfindung der Unternehmen führen. Auch sind wesentliche Details, wie bspw. zulässige Abweichungsgründe, aktuell noch völlig unklar. Dies stellt die umzusetzenden Unternehmen vor große Herausforderungen, während der tatsächliche Kundennutzen weitestgehend unklar bleibt. Daher sollte sich die RIS auf rein qualitative Vorgabe zur Erreichung von value-for-money beschränken und die konkrete Umsetzung den Mitgliedsstaaten überlassen.
Darüber hinaus schlägt die Kommission eine weitgehende Überarbeitung der bisherigen Beratungsprozesse vor. Hierzu soll ein best interest test eingeführt und die Eignungs- und Angemessenheitsprüfung grundlegend überarbeitet werden. Analog zur Überarbeitung des Produktfreigabeprozesses bleibt der Gesetzestext wesentliche Umsetzungsdetails schuldig und verweist immer wieder auf noch zu erstellenden Level 2 und 3 Regelungen. Stellenweise stehen die gemachten Vorgaben auch im direkten Widerspruch zueinander und könnten im Ergebnis zu einer Schlechterstellung von gebundenen Vermittlern (gegenüber ungebundenen Vermittlern) und der provisionsbasierten Beratung (gegenüber der unabhängigen Beratung) führen. Aus Sicht des VöVs hat sich sowohl der Vorgänger des best interests test als auch die bestehenden Vorgaben der Eignungs- und Angemessenheitsprüfung bewährt und sollten daher beibehalten werden. Mindestens ist jedoch darauf zu achten, dass gesetzliche Vorgaben über alle Beratungs- und Vergütungsformen hinweg einheitlich ausfallen.